Der „Klimaplan Südtirol 2040“ steht. Am 18. Juli hat die Landesregierung in ihrer Sitzung das definitive Dokument einstimmig genehmigt. Bei einer Pressekonferenz haben Landeshauptmann Arno Kompatscher, sein Stellvertreter und Umweltlandesrat Giuliano Vettorato, Vertretende der Wissenschaftskommission, welche die Entwicklung des Klimaplans begleitet hat, sowie Vertretende der Interessensgruppierungen, die die Umsetzung der Maßnahmen unterstützen werden, den Plan vorgestellt. Dazu gehören natürlich auch die Vision dahinter und die geplanten Aktionen in den 17 Aktionsfeldern: Kommunikation und Bewusstseinsbildung, soziale Gerechtigkeit, Schwerverkehr und Warentransport, Personenverkehr, Bauen, Heizen, Land- und Forstwirtschaft, Industrie, Tourismus, private Dienstleistungen, graue Energie, Stromproduktion, Speicherung und Transport, Biomasse und langfristige CO2-Senkung.
Wie verschiedene andere Länder und Staaten in der EU hat auch Südtirol die Notwendigkeit erkannt, schneller als innerhalb 2050 die bei der Klimakonferenz von Paris im Jahr 2015 festgelegten Klimaziele umzusetzen – 2040 wurde als Frist definiert. „Insgesamt gibt es 157 Maßnahmen, von denen 7 bereits abgeschlossen sind, 109 laufen und 41 noch in Erarbeitung sind“, erklärte Prof. Gottfried Tappeiner, Koordinator der Wissenschaftskommission.
„Wir haben natürlich nicht den Anspruch, die Welt zu retten. Aber wir müssen, wollen und können Verantwortung für unseren Einflussbereich übernehmen“, sagte Landeshauptmann Arno Kompatscher. Es soll auf allen Ebenen – angefangen von Bewusstseinsbildung und Kommunikation bis hin zu Plänen, Gesetzen und Vorschriften – alles getan werden, um die Ziele zu erreichen. „Das Erreichen der Klimaziele ist eine enorme Herausforderung, aber es ist keine Option oder eine Frage von Ehrgeiz, sondern es ist unsere Pflicht und die Pflicht aller Erdenbürgerinnen und Erdenbürger“, sagte Kompatscher. Die Umsetzung wird weiter von einem wissenschaftlichen Expertenteam (Forschungsallianz), einem Bürgerrat und einem sogenannten Stakeholderforum begleitet und überwacht. „Die Forschungsinstitutionen in Südtirol fühlen sich den Zielen des Klimaplans verpflichtet. Mit Bezug auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse möchten wir alle zwei Jahre einen Bericht abfassen“, sagte Alex Weissensteiner, Professor für Finanzrisikomanagement und Finanzmathematik an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Bozen und Leiter der Forschungsallianz (weitere Details dazu in einer eigenen Pressemitteilung).
3 übergeordnete Ziele, 3 Sektoren mit der größten Belastung
Drei übergeordnete Ziele ziehen sich als roter Faden durch das gesamte Planungsdokument, führte Gottfried Tappeiner aus. Tappeiner ist Leiter der Wissenschaftskommission, die die Erarbeitung des Klimaplans begleitet hat und die Umsetzung begleiten wird. Die Kohlendioxid-Emissionen (CO2) sollen gegenüber dem Stand von 2019 bis 2030 um 55 Prozent und bis 2037 um 70 Prozent reduziert werden. Bis 2040 soll Südtirol klimaneutral sein. Der Anteil erneuerbarer Energien soll von derzeit 67 Prozent bis zum Jahr 2030 auf 75 Prozent und auf 85 Prozent im Jahr 2037 steigen, um als nächsten Schritt die Klimaneutralität zu erreichen.
Treibhausgasemissionen aus der Land- und Forstwirtschaft, die neben CO2 auch Emissionen durch Lachgas (N2O) und Methan betreffen, sollen bis 2030 um zehn Prozent und bis 2040 um 40 Prozent gegenüber dem Stand von 2019 reduziert werden. „Würden wir alle Maßnahmen aus allen Bereichen umsetzen, die wirtschaftlich rentabel sind, könnten wir einen Großteil umsetzen. Allerdings steht die Frage der Finanzierung im Raum. Ein Beispiel von vielen: Es mag über die Jahre rentabel sein, eine Wärmepumpe einzusetzen. Aber wer hat sofort 15.000 Euro zur Verfügung, sie einzubauen?“, sagte Prof. Tappeiner.
„Wir müssen alles dafür geben, niemanden bei dieser großen Umstellung zurück zu lassen. Die Zahl der von Armut gefährdeten Mitbürgerinnen und Mitbürger soll im Zuge der Umsetzung des Klimaplans sinken“, sagte Kompatscher. Teil der Maßnahmen im Klimaplan ist nämlich nicht nur der Appell an alle, den Umschwung zu schaffen, sondern auch öffentliche Beratung und Unterstützung, damit sich die Menschen diesen Umschwung auch finanziell leisten können.
Drei sind auch die Sektoren, welche vor allem für die Treibhausemissionen verantwortlich sind: der Verkehr (44%), die Verbrennungsprozesse von Energie (29%) und die Landwirtschaft (17%).
Im Verkehr zählt der Ausbau der Schiene zum Rückgrat und obersten Priorität bei den Maßnahmen. Die Riggertalschleife, die Elektrifizierung der Vinschger Bahn, der dreigleisige Virgl-Eisenbahntunnel und die Anschaffung von 15 neuen Zügen bis 2026 sind nur einige der großen Vorhaben. Die Fahrradmobilität, die Digitalisierung und emissionsarme Transporte auf der Brennerlinie zählen zu weiteren Schwerpunktthemen. Die Radwege (derzeit 510 Kilometer) sollen genauso wie die Busflotten erweitert werden (390 emissionsfreie Busse in 10 Jahren). Die Digitalisierung im öffentlichen Nahverkehr soll ihn attraktiver machen; es soll Buchungssysteme geben, bei denen Car- und Bikesharing mitgebucht werden können, genauso wie im Voraus Taxis oder Mietwagen für die Weiterfahrt vorgemerkt werden können sollen. 70 Maßnahmen sind allein für die Mobilität in die Wege geleitet worden und zeigen die Wichtigkeit dieses Sektors für die Erreichung der Klimaziele (Übersicht im Detail in Datei im Anhang).
Der zweite Schwerpunkt ist die Reduzierung von Emissionen aus Verbrennungsprozessen und Energieerzeugung. Schon der Ausgangspunkt kann sich im Vergleich zu anderen Regionen sehen lassen: 69 Prozent der Energie wird aus erneuerbaren Quellen gewonnen – dabei produziert Südtirol doppelt so viel Energie wie es selbst verbraucht. „Das ist wohl das wichtigste Ziel: Wir müssen versuchen, weg von den fossilen Brennstoffen zu kommen“, sagte Wolfram Sparber, Leiter des Eurac-Instituts für Erneuerbare Energien und Mitglied der Wissenschaftskommission und mit verantwortlich für die Evaluierung in der Umsetzungsphase. Durch Effizienzsteigerungen bei Wasserkraftwerken wird Südtirol vor allem auf die Sonnenenergie setzen. „Die Menge an Photovoltaikleistung wird in den nächsten 15 Jahren um das Dreifache erhöht werden. Die letzte Ausrichtung der Förderrichtlinien im Energiebereich Ende 2022 hat bereits zu einer Verdoppelung der Anträge und zu einer Verdreifachung der Investitionen im Bereich Energie geführt“, berichtete Landeshauptmannstellvertreter Giuliano Vettorato aus seinem Zuständigkeitsbereich. „Landesförderungen von 35 Millionen Euro standen Investitionen von 138 Millionen Euro in den Photovoltaikbereich gegenüber“, führte er weiter aus. In den Fernheizwerken soll verstärkt auf Biomasse umgestellt werden – schon jetzt arbeiten 71 von den bestehenden 83 in Südtirol damit. Im Bausektor wird der Umschwung Schritt für Schritt erreicht werden: Rein fossile Heizsysteme in Neubauten oder bei Sanierungen oder Umbau werden künftig nicht mehr erlaubt sein.
Dritter Hauptverursacher der Treibhausgase ist die Landwirtschaft. Hier geht es aber nicht allein um die Notwendigkeit der Reduktion von Kohlendioxid, sondern auch der anderen Treibhausgase wie Methan und Lachgas. Der Klimaplan umfasst die Förderung nachhaltiger Anbaumethoden wie den Ausbau des Bio-Landbaus auf 25 Prozent, die Reduzierung des Einsatzes von synthetischen Düngemitteln und Pestiziden und die Verbesserung der Bodengesundheit unter anderem durch den Austausch von mineralischen Düngern durch organischen Dünger. Gefördert werden sollen auch Methoden zur Kohlestoffbindung in landwirtschaftlichen Böden oder die Erhöhung des Heumilchanteils.
Alle Sektoren der Wirtschaft – die Industrie, das Handwerk, der Handel und der Dienstleistungssektor – werden in Zukunft vermehrt Anstrengungen unternehmen müssen, um den Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen. Jeder Sektor hat aber auch spezifische Herausforderungen zu bewältigen, daher werden alle Sektoren im Klimaplan mit eigenen Aktionsfeldern benannt. Mindestens genauso gefragt sind alle Bürgerinnen und Bürger. Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Klimaplans ergriffen Vertretende verschiedener Bereiche das Wort: Katja Engl in Vertretung der Jugendverbände, Josef Oberhofer für die Umweltverbände, Wolfgang Obwexer für die Sozialverbände und Donatella Califano in Vertretung der Gewerkschaften.
LPA