Ende Juni und Anfang Juli herrschte in vielen Regionen Europas extreme Hitze. In mehreren Ländern – darunter Italien, Spanien, Frankreich und Portugal – stiegen die Temperaturen auf über 40 Grad Celsius. Das stellt nicht nur uns Menschen vor großen Herausforderungen, sondern auch die Landwirtschaft. Denn hohe Temperaturen und Trockenheit schaden der Ernte. Die Landwirtschaft sucht deshalb fieberhaft nach alternativen Anbaumethoden, um den Extremwetterereignissen zukünftig trotzen zu können. Einer dieser Ansätze nennt sich Aquaponik.
Was steckt dahinter?
Es handelt sich dabei um ein innovatives System, das die Fischzucht (Aquakultur) und den Pflanzenanbau ohne Erde (Hydroponik) verbindet. Konkret heißt das: In einem Aquaponik-System leben die Fische in einem Wasserbecken innerhalb eines Gewächshauses. Das Wasser, in dem die Fische schwimmen, enthält durch den Fischkot Ammoniak bzw. Ammonium (NH4+), welches von Bakterien zu Nitrat umgewandelt wird. Diese speziellen Bakterien benötigen Sauerstoff für ihre Arbeit, weshalb dieser Prozess nur im sauerstoffreichen Wasser effizient abläuft. Das Nitrat dient den Pflanzen als natürlicher Dünger. Im Gegenzug reinigen die Pflanzen das Wasser, das zurück in das Fischbecken fließt. Angebaut werden können verschiedene Gemüsesorten wie Salate, Zucchini, Auberginen, Tomaten oder Kräuter. Die Pflanzen wachsen auf einem Substrat oder auch direkt im Wasser.
Vorteile
Das System ist sehr effizient. Aquaponik verbraucht 90 Prozent weniger Wasser als konventioneller Pflanzenanbau. Gleichzeitig wird kein chemischer Dünger benötigt. Fischexkremente und -futter fungieren als Nährstoffquelle, womit auf Nährstofflösungen und deren Entsorgung mit dem Abwasser gänzlich verzichtet werden kann. Das Gemüse ist ganzjährig verfügbar und kann wetterunabhängig überall – auch in urbanen Zentren – angebaut werden. Der Anbau nimmt weniger Platz in Anspruch als herkömmliche Felder; das Gemüse kann horizontal, aber auch vertikal angebaut werden. Aquaponik ist auch völlig unabhängig von Bodenqualität. Der Ansatz ist damit auch im Hinblick auf das Bevölkerungswachstum, dem damit einhergehenden höheren Lebensmittelbedarf bei gleichzeitig abnehmender landwirtschaftlicher Nutzfläche interessant.
Grenzen
Den Vorteilen stehen aber auch einige Herausforderungen gegenüber. So ist die anfängliche Investition im Gegensatz zu anderen Anbaumethoden hoch. Die Methode setzt gutes Fachwissen über Fische, Pflanzen und Mikroorganismen voraus. Daneben muss sich täglich um Fische und Pflanzen gekümmert werden, eine Versorgung mit Setzlingen bzw. Jungfischen stattfinden und auch die Energiekosten für Strom und Wärme sind ein Aspekt, der nicht außer Acht gelassen werden darf.
Alte Tradition
Die Idee der Aquaponik ist nicht neu. Das Konzept, dass Fischexkremente zur Versorgung von Pflanzen mit Nährstoffen eingesetzt werden, hat eine lange Geschichte und wurde bereits von frühen Zivilisationen in Asien und Südamerika genutzt. Die Azteken zum Beispiel entwickelten die sogenannten Chinampas, eines der ersten Aquaponik-Systeme der Welt. In neuerer Zeit wurde die Idee in den 1970er Jahren in den USA verstärkt aufgenommen und Grundlagenforschung betrieben. 1985 entwickelten die US-Wissenschaftler McMurtry und Sanders eines der ersten kommerziellen Aquaponik-Systeme. In den letzten 20 Jahren wurde der Begriff Aquaponik weltweit populär.
13.000 Pflanzen
Auch in Südtirol ist Aquaponik seit 2022 ein Thema. Ein Unternehmen aus Tramin produziert mithilfe von Fischen Salate und Kräuter wie Basilikum und Schnittlauch. Mittlerweile betreibt es vier Anlagen in Tramin; auf über 600 m² wird das Gemüse angebaut. Pro Woche werden rund 13.000 Pflanzen geerntet. Darüber hinaus produziert das Südtiroler Unternehmen Fisch für die Südtiroler Gastronomie. Derzeit läuft ein Testanbau von Wintergemüse wie Palmkohl, Grünkohl und diverse Brokkoli-Sorten. Zudem ist der Fischabsatz für den Detailhandel für kommenden Winter geplant.
KH